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Interview: Dr. Gabriele Widmann, Volkswirtin bei der Deka Bank
Frage: Frau Dr. Widmann, die Sparer warten sehnsüchtig auf die Zinswende. Von den Notenbanken kommen erste Signale. Gibt es bald wieder Zinsen auf Erspartes?
Dr. Widmann: Es wird noch eine ganze Weile dauern, bis die Zinsen wieder auf die altbekannten Niveaus gestiegen sind. Zuerst einmal muss die Europäische Zentralbank ihre Anleihekäufe beenden. Danach wird sie langsam damit beginnen, ihre Leitzinsen anzuheben. Das dürfte irgendwann im Lauf des Jahres 2019 der Fall sein. Weil die Europäische Zentralbank extrem behutsam die Leitzinsen nach oben nehmen wird, müssen wir sogar damit rechnen, dass die Sparzinsen erst gegen Mitte der Zwanzigerjahre wieder die Inflationsrate übertreffen werden. Und bis dahin verliert das niedrig verzinste Ersparte Tag für Tag an Kaufkraft. Wir sprechen in diesem Zusammenhang von der Realzinsfalle.
Frage: Wie werden die Börsen reagieren, wenn die Zinsen wieder steigen?
Dr. Widmann: Das wird tatsächlich ziemlich spannend. Die Börsen haben sich an die lockere Geldpolitik gewöhnt, und jede Straffungsmaßnahme wird Unsicherheit mit sich bringen. Glücklicherweise hat die US-Notenbank aber schon mit ihrem Ausstieg aus der ultra-lockeren Geldpolitik begonnen und erste Leitzinserhöhungen vorgenommen. Das ist gewissermaßen die Blaupause für die Europäische Zentralbank. Da die globalen Finanzmärkte das alles bisher recht gut verkraftet haben, stehen die Chancen gut, dass es auch hierzulande glimpflich abläuft. Denn immerhin stehen hinter den Aktienkursanstiegen der vergangenen Jahre deutliche Gewinnerhöhungen der Unternehmen. Die Unternehmen profitieren nicht nur von den niedrigen Zinsen, sondern vielmehr noch von dem kräftigen weltwirtschaftlichen Wachstum. Damit dürfte es im Jahr 2018 zwar wegen der zu erwartenden Zinsanstiege zu deutlich höheren Kursschwankungen kommen als in der jüngeren Vergangenheit. Mit einem starken Aktienmarkteinbruch rechnen wir aber nicht.
Frage: An den Börsen jagt gerade ein Rekordhoch das Nächste. Das wird sicher nicht ewig so weitergehen. Lohnt sich der Einstieg jetzt überhaupt noch?
Dr. Widmann: Mit Blick auf die anhaltend niedrigen Zinsen bin ich weiterhin der Meinung, dass Aktienmärkte auf mittlere und lange Sicht deutlich höhere Renditechancen bieten als festverzinsliche Geldanlagen. Insofern würde ich Ihre Frage ganz klar mit „ja“ beantworten. Die Frage nach dem richtigen Einstiegszeitpunkt am Aktienmarkt ist bekanntlich immer schwer zu beantworten. Man kann sie übrigens elegant umgehen, indem man portionsweise einsteigt, also Monat für Monat Aktien kauft. Und weil niemand von uns so genau weiß, welche Unternehmen, Branchen oder Regionen gut laufen werden, rate ich zu breiter Streuung, beispielsweise in Form eines Aktienfonds. Bei der Aktienanlage muss generell beachtet werden, dass deren Wert im Zeitablauf stark schwanken kann.
Frage: Und was ist, wenn eine Rezession kommt?
Dr. Widmann: Im Vorfeld von Rezessionen gibt es in der Regel deutliche Aktienmarktkorrekturen. Die können durchaus auch mal 20 bis 30 % oder mehr betragen. Das ist übrigens einer der Gründe, warum ich zum regelmäßigen Investieren in Aktien rate. Dann kauft man nicht alles zu Höchstpreisen, sondern auch zu den günstigen Kursen im Zuge solcher Korrekturen. Hinzu kommt: nach jeder Rezession gibt es wieder einen Aufschwung, das haben uns die Jahre nach der großen Finanzmarktkrise 2008/09 erneut bewiesen. Und dann erholen sich auch die Märkte. Am Ende ist für die langfristige Geldanlage wichtig, wie hoch die langfristige Renditeerwartung einer Anlageklasse ist. Und die ist bei Aktienanlagen deutlich höher als alles, was man derzeit im festverzinslichen, sicheren Bereich bekommen kann.
Frage: Was ist Ihre Prognose für 2018?
Dr. Widmann: Der überraschend kräftige, inflationsarme Aufschwung wird uns im ganzen Jahr 2018 und darüber hinaus noch erfreuen. In diesem Umfeld steigen die Zinsen nur leicht an, und an den Aktienmärkten geht es mit Schwankungen in der Tendenz moderat aufwärts.
Bildmaterial: Porträtfoto